Beinahe wäre ich in diesem Jahr der Fresslawine entkommen. Auch ohne das Schokoladenäquivalent eines Metalldetektors ließ sich mühelos erraten, dass sich in einigen der bereits vor dem Fest anwesenden Pakete Leckereien befinden würden, teils durch Ankündigung, teils konnte man es erschnuppern und den Rest hoffte ich einfach mal herbei – und kaufte entsprechend wenig ein. Geholfen hat es mir nichts, denn der Mann an meiner Seite denkt ja mit. Darüber sollten wir dann wohl mal reden. Vorher, beim nächsten Mal.
Mein Plan, dem Wahnsinn wenigstens am 25. nach der üppigen Mahlzeit vom heiligen Vorabend mit einem bodenständigen roten Linseneintopf entgegenzutreten, scheiterte ebenfalls bzw. endete in fünf frisch eingefrorenen Portionen. Nicht nur, weil wir einfach im Bett geblieben sind und uns in den Schlaf- und Ehepausen von Plätzchen und Bratenresten ernährt haben, sondern auch wegen der spanischen Einladung am 26, die noch auf uns wartete. Man kann zwar versuchen, vier Tage am Stück immer schön heftig durchzuessen, aber man sollte das nicht.
Die besagte Einladung erstreckte sich dann auch prompt auf ein Essen von über 5 Stunden. Es war köstlich, es war wunderbar, die Karte war 12 Seiten lang, wir saßen gut, der Wein war fantastisch und ich verzehrte mich bereits beim knusprigem Vorspeisenbrot nach einem frischen, grünen gemischten Salat. Ich liebe Salat.
Bis auf die Nebenwirkungen:
Hat schon mal jemand versucht, in einer gemischten Runde aus Krabbenkillern, Muschelcocktail-Schlürfern, Tintenfischzerrupfern, Schmorpfifferlingzutzlern und Filetspitzenlängsaufschlitzern einen schlichten Salat zu bestellen? Einfach ist das nicht. Ich durfte erst, nachdem ich versprochen hatte, mir später noch ein richtig schönes Hauptgericht auszusuchen und bestellte - erschlagen von dem übermäßigen Interesse an meinem Grünzeugkonsum - ein Filet zum Spinat.
Während wir uns unterhielten und auf das Essen warteten, senkte sich die Dämmerung über die Baumspitzen vor den Fenstern und das Lokal mit seinen Kerzen und Lichtern wurde zunehmend gemütlicher. Das müssen sich auch die Spaziergänger da oben auf dem Berg gedacht haben, denn es kamen immer wieder einzelne Grüppchen auf einen Kaffee oder Wein herein.
Eine scheinbar ziemlich junge Clique stürmte lautstark den Tisch hinter mir. Ich drehte mich nicht um, auch nicht, als eins der Mädchen mit ihrem billigen Bettelarmband in meinen Haaren hängen blieb und ich die Strähne freizupfen musste. Sie waren laut, sie stanken nach Bier und die Männer erzählten spätpubertäre Witze über ‘rasierte Bären’ und brüsteten sich mit ihren Erlebnissen im Skiurlaub. Die Frauen teilten sich sauber auf in eine lautstark rumkumpelnde herbe Typette, die sich zwecks cliqueninternem Akzeptanzgewinn wie ein Kerl aufführte und drei gnadenlose Tussen. Dem Tonfall nach Tangastrippen oder die Einheitslook-Arschgeweihsorte, auch wenn ich das nie erfahren werde, denn ich wollte diese Menschen allesamt nicht sehen und drehte mich nicht um.
In der Fensterscheibe gegenüber konnte ich dennoch ihre Umrisse erkennen und die Gesten, mit denen sie in ihrem sozialen Umfeld um Beachtung kämpften. Und über das Essen redeten. Während die Typette offensichtlich mit den anderen Kerlen gern bergeweise Fast Food einschob … aßen die Tussen eigenen Aussagen nach gar nichts. Nicht wenig, nicht kalorien- oder fettarm, sondern gar nichts. Und sie waren stolz darauf.
Leider werde ich nie erfahren, wie das Essen von Nichts in der Praxis aussieht, denn als diese Clique einen Blick auf die Preise in der Speisekarte geworfen hatte, war sie ziemlich schnell wieder weg. Nicht ohne auf die Cola-Preise in diesem “Etamblissmang” zu schimpfen.
Und ich, ich hatte dann endlich den Salat.
“Hat schon mal jemand versucht, in einer gemischten Runde aus Krabbenkillern, Muschelcocktail-Schlürfern, Tintenfischzerrupfern, Schmorpfifferlingzutzlern und Filetspitzenlängsaufschlitzern einen einfachen Salat zu bestellen?”
Ja. Mensch muss nicht vegan sein, schon als Ovo-Lacto-Veggie kannte ich das eigene Erstaunen, dass es auch neute noch zehnseitige Speisekarten gibt ohne ein einziges vegetarisches Gericht. Bei einem Treffen einer Bürgerinitiative in einem örtlichen Lokal schlug die Bedienung dann vor, sie könne “den Thunfisch wieder vom gemischten Salat runternehmen, das ginge wohl eher, als die Schinkenstücke aus dem anderen Salat rauszufischen”.
Und sie wunderte sich, dass wir dankend ablehnten.
Wenn Du als Veggie dann Deinen Salat hast, haste ihn in zweierlei Hinsicht.
Einmal: Auf dem Teller.
Und: Die Gesprächsthemen! Die sind bei mehr als drei anderen Anwesenden vorhersehbar. Weil auf einmal alle Anwesenden “sowieso fast nie Fleisch essen” um ca. 30 Sekunden später - wo wor gerade beim Thema sind - zu besprechen, wo man Steak/Ente/Wild/wasauchimmer besonders gut und/oder günstig essen könne.
Als einmal ein Angler an der vor ihm liegenden Forelle Blau unbedingt demonstrieren wollte, wie man sie mit einem Schnitt aufschneidet und gleichzeitig ausnimmt, war er geradezu verärgert, dass ich ihn bat, damit doch zu warten bis ich aufgegessen hätte.
Mit Salat biste entweder Weltverbesserer (dabei hab ich noch nie beim Essen angefangen, über Vegetarismus zu reden. Das machen die Fleischesser immer selber) oder potentiell magersüchtig. Auch ich wurde - mit 92 Kilo Kampfgewicht bei 1.85m - schon für magersüchtig gehalten.
Text und Geschichte sind gewohnt gut, aber was mich besonders angenehm überraschte, war dieses wunderschöne Layout. Da paßt einfach alles. So macht Lesen Spaß. Dafür kann man nur werben, auch wenn Strafe angedroht wird.
Jings: Danke sehr! Die Strafe gibt es aber nur für Spammer 😊
Volker: Ist fast schon etwas zu dünn für einen erwachsenen Mann in der Größe, stimmt. Hehe.
Jaja, ich bin da wie der Mond. Ich nehme ab und zu ab und zu ,-)
Ich hatte seit meinem 19. Lebensjahr auch ohne schwere Erkrankungen und/oder das an- und abgewöhnen von Nikotinkonsum ziemlich jedes Gewicht zwischen 73 und 95 Kilo. Bei den genannten Grenzwerten hab ich dann aber jedesmal massiv gegengesteuert, denn bei 73 Kilo hab ich einen Blutdruck auf Höhe der Raumtemperatur mit Schwindelanfällen etc. und bei 95 Kilo merke ich, dass ich einen Ischias und Knie besitze und möchte die Bekanntschaft mit diesen Körperteilen und den diversen Schmerzen, die sie verursachen können, nicht näher vertiefen.
Volker: jau. Ich hasse es, mir irgendwas aus dem Salat fischen zu lassen - er schmeckt nämlich dann trotzdem nach der Leiche. Was hat Aas in Salat zu suchen?
Und ich hasse es, eine Suppe essen zu wollen - eine Gemüsesuppe, versteht sich! - die dann natürlich auf Fleischbrühengrundlage gemacht ist! Und alle finden das ganz normal.
Ich gehe nur noch _sehr_ selten auswärts essen.
Susanne, wir waren mal in einem Dreisterne-Lokal in Kleve. Eine Seite der Karte enthielt “überwiegend vegetarische Gerichte”. Laut Beschreibung waren jedoch alle vegetarisch. Frage: Was heisst “überwiegend”?
Die Gemüsesuppe sei gelegentlich mit Rinderbrühe gemacht, wenn keine Gemüsebrühe in der Küche vorhanden sei.
Wir haben uns die Frage gespart, ob die ansonsten sogar vegane Gemüsesuppe an diesem Tag mit Rinderbrühe gemacht worden sei. Grüner Salat mit Essig und öl war angesagt und dann schnell nach Hause und was essen 😉
Wir gehen oft in Köln ins Five Seasons. Sehr empfelenswert. Kann Dir die Adresse und Telefonnummer gerne geben.
Die Kuechenzeilen sind vielleicht kein schlechter Platz für den Austausch vegetarischer Tipps und Erfahrungen 😊 ich schalte euch gern frei.
Ja, in der Tat. Ich würde meine Rezepte http://www.volkerkoenig.de/cgi-bin/weblog.php.cgi?weblog=3 da auch einstellen (natürlich von Tippfehlern befreit).