7.15 Uhr
Miss Peppermint liegt heimlich, still und leise auf dem flachen grünen Kissen und schiebt ihren winterlichen Hüftspeck so nach und nach immer weiter über den Rand in Richtung Mitte. Wenn keiner guckt - oder wenn sie denkt, dass keiner guckt - schiebt sie die Flauschbauchkugel noch ein bisschen hin und her. Letzte Woche hat sie nämlich schon mal darauf gelegen, und da wurde das Kissen warm! Das muss sich doch wiederholen lassen.
Ich war an dem Tag davon aufgewacht, dass Fräulein Pfefferminz, die wahrhaftig keine kleine Katze ist, einfach quer über mich drübermarschierte und sich dann neben mir auf dem ausgeschalteten Heizkissen niederliess. Tückisch habe ich den Schalter betätigt und sie auf Stufe 3 ein bisschen gargekocht. Erst stutzte sie. Dann streckte sie sich wohlig. Dann kam ihr der Verdacht, dass ich nur wartete, bis sie durchgeköchelt war und sie verzog sich lieber. Heute morgen muss ihr eingefallen sein, dass dieses Kissen warm werden kann. Und nun wartet sie.
Ich habe schon am Samstag gepackt und gestern alles doppelt und dreifach gecheckt. Bloss eins habe ich falsch geplant: Die Orkanwarnung. Wenn ich schon mal auf die Insel muss ...
9.35 Uhr
Der Zug hatte bloss 15 Minuten Verspätung, dafür habe ich einen dieser Dreisitz-Tischplätze erwischt, obwohl der Schaltermensch hartnäckig behauptet hatte, der ganze Zug sei ausgebucht und nur noch ein Kettenraucher Abteilplatz frei. Stimmt natürlich nicht. Der Zug ist halb leer. Aber was soll man schon von jemandem erwarten, der nicht an die Existenz des Internet glaubt und in einem fensterlosen Büroloch im Ratinger Ostbahnhof haust. “Wo haben Sie das denn her” fragte er misstrauisch, als ich ihm meinen fürsorglich ausgedruckten Fahrplan vorlegte. “Telepathie” hätte ich beinahe geantwortet. Ich möchte an mein Salami-Brötchen, aber die Tasche liegt hoch über mir auf der Ablage. Seufz.
13.51 Uhr
Vor dem Fenster kreischen die Möwen, der Wind bläst Schaumkronen über das Meer. Im Nichtrauchersalon der Fähre ist es wohlig warm, draussen wird man fast davongeweht. Kleiner Schönheitsfehler dieser externen Idylle: Wir können nicht auslaufen, Sturmwarnung auf Norderney. Ich habe die Kindersicherung einer Steckdose geknackt und lade meinen Akku auf. Den vom Notebook auch. Kleiner Schönheitsfehler der fähreninneren Idylle: Neben mir findet ein angeregtes Gespräch statt: “Sach ma Mööööwe. Gucke da wie die Möööwe ihren Popo putzt! Fein, nicht wahr?” Vivian-Marie oder wie auch immer Schnullerbäckchen heißen mag strahlt über beide angesabberten Backen. Torge-Leon (oder wie auch immer) ist alt genug zum Sabbern, aber nicht für Möwen. Die Mutter hat mir gerade erzählt, dass sie sich “nächstes Jahr” als “Webdesignerin” versuchen will, auf die beiden freien Plätze steuern zwei Damen im klassischen Deutschlehrerinnen-Look zu.
Live von der Insel - noch nicht ganz - Melody.
(to be continued)
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