Die Krankenhaustage begannen um mich zwischen 4 und 5 Uhr früh, wenn auf der einen Seite das röchelnde Schnarchwürgen endete und Waltraut mich ächzend und stöhnend darüber informierte, dass sie jetzt schon wieder aufs Klo müsse: Das Päckchen, der Durchfall, das brennende Loch! Seit Jahrzehnten daran gewöhnt, nur vom Wecker oder für Wichtiges geweckt zu werden, konnte ich nach dieser lautstark erfolgenden Mitteilung meist nicht wieder einschlafen und lag dann herum, bis sie vom Klo kam und genauestens Bericht über den Zustand ihrer Ausscheidungen und des Löchleins erstattete. Hatte die Nachtschwester gecremt, wurden auch dies und die Wirkung noch wohlwollend beschrieben.
Vielleicht hätte ich trotz des theatralischen Gestöhnes weiter schlafen können, hätte Roswitha nicht so irre geschnarcht oder wäre die Nachtschwester nicht zum Verabschieden gekommen (“Ach, da hatte ich wohl vergessen, Ihnen dieses Zeugs zu geben … sagen Sie mal nichts, ok??!!” – Was sollte ich da groß sagen, ich verzichte doch gerne auf die Linderung von Atembeschwerden, weil die Frau, die mir untertellergroße Spritzenhämatome macht, mich lieber bevormundend über mein Gewicht zutextet, als mir sämtliche verschriebenen Medikamente zu geben).
Hatte die Nachtschwester uns wachverabschiedet, griff Roswitha zum Telefon, ging Waltraut wieder aufs Klo inklusive Reporting, dann stellte man alterndes Graubrot mit deprimierendem Belag neben mich. Wenn Roswitha fertig telefoniert hatte, wusste ich alles über ihre Verdauung der Nacht, dann ging sie ins Bad, Waltraut begann zu telefonieren, bis Roswitha kam und wiederum Bericht erstattete, was das Päckchen vor drei Tagen so als letztes bewirkt hatte.
Ein Höllenlärm. Anschließend wurde das Frühstück diskutiert, inklusive potenzieller Auswirkungen auf Verdauung und Löchlein, dann riefen schon die ersten Verwandten an, um sich ihre Dosis wehleidiges Gewinsel abzuholen. Der Vormittag schien mindestens sechzig irre laute Stunden zu haben. Falls ich mal einschlafen konnte, kam sofort die Visite, auf die man sonst meist bis zum Nachmittag warten musste.
Das Essen hatte ein Retro-Freak mit einem Faible für Plastikpuddings in surrealen Farben und merkwürdige Gemüseleichen an Fleischfaserbrocken entworfen und konsequent umgesetzt und wenn ich so überlege, ob es etwas gab, das gut war an der ganzen Geschichte: Wasser konnte ich diesmal so viel haben, wie ich brauchte – und ich brauche viel. Sogar Roswitha und Waltraut lernten schnell, dass meine kleine Karaffe immer nachgefüllt werden musste und taten das.
Außerdem hat jedes einzelne Mitglied des medizinischen Personals, das in meine Akte schaute, ein überaus erstauntes “Wie bitte? Sie sind schon vierzig?” von sich gegeben, weil sie mich für Anfang dreißig gehalten hatten, obwohl ich mich fühlte wie unterm zu spät gebremsten Laster rausgezogen. Eine mit mir gar nichts zu tun habende Dame kam dann sogar nachgucken, ob das stimmte, was die anderen über meine jugendlich anmutende Optik sagten. Sehr surreal, vor allem, weil ich eh noch nie die Komplimentempfänglichste war und mich ganz furchtbar fühlte und wusste, dass ich auch definitiv sehr gründlich so aussah, ungeschminkt und komplett zerstruwwelt.
Trotz des ungeheuren Lärmpegels schlief ich anfangs doch sehr viel, ich war ja erschöpft, schon durch die Medikamente, außerdem sollte ich so wenig wie möglich aufstehen. Später durfte ich dann herumlaufen, konnte flüchten aus dem lauten Zimmer, und so fand mich die Ärztin auf dem Flur, dösend in einer Besucherecke, wohin ich mich verkrabbelt hatte, um endlich mal zehn Minuten in Ruhe schlafen zu können. Das sagte ich ihr auch genau so: Was für ein Lärm in meinem Zimmer herrschte und dass ich dort nicht zur Ruhe käme.
Danach hat sie mir nicht mehr widersprochen, als ich sagte, ich wolle jetzt sehr bald mal nach Hause und handelte mich nur noch auf noch zwei Tage und eine weitere Komplettuntersuchung hoch.
Da wünscht man sich doch ne Private Krankenversicherung mit Einzelzimmer.
oh oh. krankenhaus wie es leibt und lebt, sehr farbig geschildert. dank einiger älterer verwandter hatte ich jetzt als besucher auch ein paarmal das vergnügen, wobei die zimmergenossinnen und -genossen da im vergleich noch harmlos waren.
(sorry, ich hatte beim ersten eintrag nicht geschaltet, als ich dachte, du wärst noch drin…)
@kari: leider ist die pkv keine garantie auf ein einzelzimmer. sämtliche kranken, die ich letzter zeit besuchte, haben eine pkv (alles beamte bzw. deren anhänge), und keiner von ihnen kam in den genuss eines einzelzimmers (oder erst nach mehreren tagen verspätung), weil schlicht keines frei war. und das ganz unabhängig von der schwere der krankheit bzw. der operation.
Da hat Liv leider Recht - wobei ich eh keine Chance auf private Versicherungen hätte, in meinem Fall wäre das viel zu teuer.
Ein schönes Wochenende euch 😊
Mist, und ich dachte, mit Geld könnte man alles kaufen 😉