Auf dem Weg zur modischen Kurzhaarfrisur

Eine Info vorab: Eine Kurzhaarfrisur fängt für mich dort an, wo die Haare nicht mehr auf unten der Hüfte, sondern oben an der Taille aufliegen. Dieser Eintrag ist also nichts für Korinthenkacker, Pagenköpfe oder Ohrläppchenfetischisten.

Dann noch der obligatorische Disclaimer: Bitte nicht weinen. Es gibt viele Frauen, denen kurze Haare toll stehen – mir fallen spontan zwei liebe Freundinnen ein, bei denen eine andere Frisur gar nicht in Frage käme, so perfekt passt die nicht vorhandene Länge.

Alles klar? Können wir? Gut.

Im letzten Sommer eröffnete 50 Meter von uns entfernt ein Hairdesign-Shop. Sie nennen sich wirklich so und drohen mit ‘italienischem Hairdesign’, die Werbefotos sehen durchgehend so aus, als hätte jemand Ungutes und Haariges mit ambitionierten Möchtegern-Popstars getan: Mühsames Zurückprügeln der 70er mit asymmetrischen Ponys, vorteilhafte Haarscheitel quer überm Gesicht und alle Modelle haben diesen Myspace-Webcam-Blick von schräg unten, als würde ihnen gerade jemand die Eierstöcke, wahlweise Hoden quetschen.

Ich bin dann trotzdem mal hingegangen, schließlich wollte ich nur die Spitzen schneiden lassen, so viel kann da eigentlich nicht schief gehen.

Friseurbesuch geht so: Zuhause wasche ich meine Haare, lasse eine Kurpackung einwirken und gehe dann mit noch feuchter Mähne in einen leeren Friseursalon, wo ich etwa zwei Stunden darauf warte, an die Reihe zu kommen. Fünf Meter links von mir bekommt Waltraud oder Edelgard ihre zweiwöchentliche Zementwelle und berichtet während des Einlegens über sämtliche Details der problematischen Beziehung ihres jüngsten Sohnes mit einer geschiedenen Frau, die sogar ein Kind mitgebracht hat und nur sein Geld will.

Dann muss ich mich woanders hinsetzen, egal wo ich vorher gesessen habe, und soll dann aufstehen, damit die kleine mir die Haare schneidende Person auch an die Spitzen kommt. Also stehe ich vier bis fünf Minuten, bekomme das Ergebnis gezeigt, nicke und zahle.

Vorher kämpfe ich lange mit mir, ob ich so viel abschneiden lasse, bis alles wieder ‘gesund’ ist oder ob ich nur das Gröbste einkürzen lasse. Ich entscheide mich stets für das Gröbste, doch das liegt scheinbar nicht ganz in meiner Hand.

Früher, vor dreieinhalb Millionen Jahren, bin ich in der freudigen Erwartung zum Friseur gegangen, mich mal ein bisschen verwöhnen und entspannen zu lassen und wurde von hysterischen Damen mittleren Alters belehrt, dass es un-mög-lich sei, eine Mähne von solcher Menge zu waschen und zu fönen in der Hektik ihrer Abläufe. Zwar war ich anfangs etwas erstaunt, hatte ich doch angenommen, das Waschen und Fönen von Mähnen wären die Abläufe, aber ich bin ja lernfähig und ging fortan, siehe oben, gewaschen und vorbereitet in die beiden Salons, die von meiner gar nicht sehr exotischen Haarlänge überfordert waren.

Manchmal spielte ich vorher noch das Termin-Spiel. Bei dem einen Salon steht an der Tür »jederzeit auch ohne Termin« und man wird sofort angemotzt, warum man denn keinen vereinbart hätte, sobald man zur Türe hineinkommt. Bei dem anderen steht »nur mit Termin« und wenn man einen vereinbaren möchte, folgt eine Belehrung, das sei doch wirklich nicht nötig. Finde ich ja auch, aber die Regeln dieses Spiels lerne ich wohl nie.

Diese noch halbwegs neuen Designer nun sind genau gegenüber. Ich rufe da nicht an, ich gehe grundsätzlich mit frisch gewaschenen Haaren vorbei, es ist immer leer, ich warte immer eine lange Weile unter Beschallung durch fremde Familiengeschichten und dann lasse ich mir kurz und schmerzlos die Spitzen schneiden und habe wieder acht bis zehn Wochen Ruhe.

Letzte Woche setzte ich mich also in einen der Designersessel und überlegte, wo ich wohl gleich stehen würde – immer noch nah genug, um mehr über den Studienabbrechenden Enkelsohn von Frau Würgerskirchen-Emmeling zu erfahren, der vielleicht sogar heimlich raucht? Da merkte ich plötzlich, wie jemand meine Haare zusammenraffte – nicht ungewöhnlich für einen Friseurbesuch, sollte man meinen – nur dass ich plötzlich hintenüber im Waschbecken hing, ohne Frisierumhang oder Vorwarnung, und richtig gründlich eingeweicht wurde, während meine Designerin des Tages triumphierend zischte: »Trockenschnitte machen wir GAR NICHT!«

»Wie bitte?« Scheinbar musste ich ihr erklären, dass ich schon das vierte Mal dort war und die anderen vier Male einen Trockenschnitt erhalten hatte, wenn man das denn so nennen kann, da ich ja frischgewaschen auftauche. Also erklärte ich es ihr. Sie weichte mich prompt noch gründlicher ein und verkündete ein weiteres Mal: »Trockenschnitte machen wir nicht! Das ist ein Paketpreis, ich kann Ihnen da jetzt auch nichts nachlassen!« Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie sehr stolz auf ihre schnelle Reaktion war und sich für ungemein geschäftstüchtig hielt.

Aber HALLO.

Mich kann so ein Mensch nicht erschüttern. Ich meine, ich kaufe bei Ebay-Händlern ein, treffe mich heimlich und nichtheimlich mit Bloggern und lösche seit Jahren Spammer aus allen Anwendungen, die ich täglich benutze – abgrundtiefe Dumpfheit ist keine Überraschung, sondern wird allmählich zu dem, was ich schon im Vorfeld erwarte, wenn ich auf Abläufe mit Automatisierungspotenzial treffe und dann merke: Man lässt diese Möglichkeiten leider nicht aus.

Sie durfte mich also fönen. Es hat sich wahrscheinlich nicht wirklich gelohnt, fünfundzwanzig Minuten an meinen Haaren herumzupusten, um drei oder fünf Euro mehr zu verdienen. Aber bitte sehr, zu ändern war der Ablauf der Dinge nicht mehr, dazu war es draußen zu frostig und ich zu durchweicht. Bis sie fertig war, hatte ich mich von dem Gefühl erholt, einfach mal eben eingetunkt worden zu sein und ihre gesamte Familiengeschichte, aber auch die von Frau Würgerskirchen-Emmeling erfahren, denn wenn Nullinformationen durch die Ohren durchrutschen, geht das durchaus auch stereo.

Erst zuhause realisierte ich: Drei Zentimeter hat sie abschneiden sollen. Dreizehn hat sie gekürzt. Genau die Länge, zu der ich mich hatte überreden wollen. Für meine Verhältnisse bin ich also halb kahl.

Das war’s. Keine Pointe. Der Enkelsohn von Frau Würgerskirchen-Emmeling möchte ‘irgendwas mit Medien oder Marketing machen’ und die Anwesenden, mich eingeschlossen, waren auch alle nicht sonderlich originell. 

13 Kommentare Auf dem Weg zur modischen Kurzhaarfrisur

  1. Avatar creezy 09.04.2008 um 15:03 Uhr

    Super. Seit drei Tagen will ich nachmittags zum Haare schneiden, seit drei Tagen kneife ich es mir immer wieder, weil ich eigentlich keine Lust habe – nach den letzten beiden Besuchen – visualisierte ich selber schneidend dann zu Hause meinen «wanna-have»-Cut nach.

    Jetzt ist mir die Lust auch für heute flöten gegangen. Nun, ist ja eh keiner zu Hause, dem es nicht auffallen würde.

    Du hingegen hast jetzt den tollen Sommerschnitt, dann kann es ja jetzt warm werden! ,-)

  2. Avatar Biggi 09.04.2008 um 16:33 Uhr

    Ich lach mich schlapp.

    obwohl es ja eigentlich gar nicht zum Lachen ist.

    Ich lache trotzdem. 😊

    Ach ja, und unlängst hab ich beschlossen - ich lass meine Haare einfach mal wachsen. Wobei - was für mich lang ist, ist für dich vermutlich Glatze. Oder so. 😊)

  3. Avatar Silke 09.04.2008 um 16:38 Uhr

    Aaaaaah… 13 cm sind eine Menge!!! Aber bei Deiner Länge wohl doch wieder relativ. Obwohl es sich wahrscheinlich gefühlsmäßig bemerkbar macht, was das Gewicht der Haarpracht anbelangt. Also doch wieder viel. Wie kommst Du damit klar?

    Hier auf dem platten Land haben wir Glück: Eine Friseurmeisterin kommt für kleines Geld ins Haus uns macht das, was der Kunde will. Ich zahle alle 2-3 Monate mal 7,50 Euro und bin sehr zufrieden, weil sie mich darin bestärkte, das Lockenwirrwarr wieder gleichlang wachsen zu lassen. Und sie ist in der Lage, die von mir frisch gewaschenen Haare mittels einer selbst mitgebrachten Sprühflasche wieder anzufeuchten *lol*. Ich hoffe, dass sie uns sehr lange erhalten bleibt, denn nochmal will ich nicht anderthalb Jahre irgendwelchen Scheißsträhnchen zuschauen, wie sie eklig blond aus meinen Haaren herauswachsen!

  4. Avatar melody 09.04.2008 um 16:43 Uhr

    Creezy, es kann jetzt eh mal warm werden!

    Biggi, ich lache ja auch. Statt 15 Euro habe ich also insgesamt 29 (inkl. Wimpernfärben) dafür bezahlt, eingeweicht zu werden - habe ein merkwürdiges Gespräch geführt - eine erneute Haarwäsche verweigert - und endlich einen Laden, in dem man nächstes Mal wohl kaum behaupten kann, dass meine Haare zu lang zum “Waschen, Schneiden, Fönen” sind 😊)

    Nur der Enkel tut mir leid. Frau Würgerskirchen-Emmeling hatte den Eindruck, dass seine Freundin ihm ein Kind unterschieben will. Man sollte ihn wohl warnen.

  5. Avatar melody 09.04.2008 um 16:46 Uhr

    Silke, sie sind immer noch fast bis zur Taille und da die Haare im Wochenbett gut gelitten haben, war das ohnehin richtig so. Wenn auch nicht bestellt. Grrr.

    7,50 Euro allerdings, schnauf ... ich dachte vorher, das Trockenschneiden für 15 sei günstig!

  6. Avatar samulli 09.04.2008 um 16:47 Uhr

    Siehste mal, jetzt weiß ich auch wieder, warum ich vor 15 Jahren zum letzten Mal beim Friseur war. 😊

    Ich kann dieses dumme Gelabere da auch nicht ausstehen. Und die Tatsache, dass die Schnipsel-Tanten einem eh immer die Frisur verpassen, die sie selbst für richtig halten (und mit der ich dann wochenlang rumlaufen muss), geht mal gar nicht. Abgesehen davon, dass die immer endlos lange an mir rumschnipseln und zipfeln und mir irgendwelchen Mist in die Haare schmieren, der alles nur verklebt. Von Fönen fang ich jetzt mal gar nicht an. 😊

    Dabei sind meine Haare gerademal stinknormal schulterlang. Exakt die richtige Länge, um sie selbst zu schneiden - indem ich sie einfach über den Kopf nach vorn fallen lasse. Danach sind sie hinten dann auch genau richtig durchgestuft. Ich brauch dafür 5 Minuten. Warum “Profis” dazu eine Stunde brauchen, konnte mir bis heute noch keiner erklären… 😉

  7. Avatar Angel 09.04.2008 um 17:35 Uhr

    Friseure hab ich noch nicht viele gesehen und wenn dann war das Ergebnis selten so wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich mache es wie samulli: selber schneiden.

    Wobei das bei einer Wuschelmähne vermutlich deutlich einfacher ist als bei glatten Haaren (Verschnitt fällt bei mir einfach nicht auf) 😊

  8. Avatar Remington 09.04.2008 um 19:33 Uhr

    Wie ich mich aus berufenem Munde belehren lassen musste, heißt das “Frisier-Salon” und nicht Friseur-Salon. Aber ich werd da nie frisiert, ich werd geschoren. Pro Minute einen Euro. Insgesamt fünf. Hihi.

  9. Avatar Sabine 10.04.2008 um 12:52 Uhr

    Mir geht es wie Samulli und ich war vermutlich 1995 oder 1996 zum letzten Mal beim Friseur. Ich krieg’s sogar ganz gut hin, die glatten, überschulterlangen Haare gerade abzuschneiden: Am Hinterkopf teilen, jede Hälfte von hinten nach vorn zusammendrehen und - schnipp - die gewünschten Zentimeter abschneiden.

    Schlimm beim Friseur finde ich auch, dass ich mich stundenlang im Spiegel selbst anstarren muss und dann solche Gedanken habe wie “War mein Gesicht schon immer so breit?”, “Oh je, woher kommen diese Augenringe?” oder “Zu Hause im Spiegel habe ich kein Doppelkinn”. Es ist das absolute Grauen für mich.

  10. Avatar Petra 11.04.2008 um 14:30 Uhr

    😉 Du machst echt was mit!

    Nachdem ich früher echter Friseur-Verweigerer war, gehe ich inzwischen 1x im Jahr und finde immer, dass sie zu viel abschneiden 😉 Aber beim letzten Mal war es okay, wenn auch nicht ganz so, wie die Frisur sein sollte (siehe Texttinen-Wendlandfotos), aber wenn schon die Haarfarbe anders ist und ich sage: “So wie das hier, bloß länger!”, dann ist das wohl auch kein Wunder :-D

    Jedenfalls ist es mal ein BISSCHEN anders als sonst, und ich genieße das umknuddelt Werden und Strähnchen-machen-Lassen (letztens unter Mithilfe meiner Jüngsten) und in den Spiegel schau ich erst wieder, wenn die Haare trocken und in Form sind und ich nicht mehr aussehe wie Frau Suhrbier 😉

    Die Friseurin ist ne Bekannte von mir, dann sind auch die Themen nicht so übel und die ganzen Hilfs-Nancys (doch, zwei heißen da wirklich so! Also Nancy, nicht Hilfs) sagen kein Wort.

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