Man kann sich das Leben auch unnötig schwer machen.

Wenn man nämlich die Tür hinter sich ins Schloss zieht, ohne sich den Schlüssel mitzunehmen, obwohl man nur mal kurz vorm Haus die Mailbox abhören will – wir haben das Glück und den friedvollen Segen, im Häuschen keinen Handy-Empfang zu haben und werden so nur selten gestört, stecken jedoch den Kopf aus der Tür, wenn wir wirklich mal ein Gespräch über Mobiltelefon führen möchten von daheim. Also praktisch nie. Aber jetzt ist das reparierte Handy heimgekehrt und ich musste ein Ohr in den Anrufbeantworter hängen und stand daraufhin im Garten. Ohne Schlüssel, ohne Jacke, schlimmer noch: Ohne Internet. Wir haben es bisher leider versäumt, die Strecke bis hoch zur Straße und ums Haus herum mit Freiluft-Terminals abzudecken, ich muss das unbedingt mal veranlassen. 

Ungeschminkt in der ‘ich arbeite gleich mit Ton’-Bluse und der ältesten Jeans aller Zeiten mit klatschnassen frisch gewaschenen Haaren im Garten zu stehen hätte auch schlimmer ausfallen können, denn ich trage nur ganz selten Schuhe und hatte diesmal welche an. Das heißt dann wohl, mir standen alle Wege offen, andere Interpretationen fielen mir jedenfalls nicht ein. In der Handy-Hülle steckten 20 Euro. Es war 15 Uhr und die Nachbarn, bei denen der Zweitschlüssel deponiert ist, gaben keine Lebenszeichen von sich, als ich vor ihren Fenstern auf und ab hüpfte und ein bisschen am Wohnzimmer rüttelte. Zwar konnte es gut sein, dass der Mann zuhause war, aber er hatte letztes Jahr einen Schlaganfall und ich musste ihn nicht aus dem Bett scheuchen, nur weil ich ein Vollschussel bin.

Um einen Schlüsseldienst zu rufen, war es irgendwie zu spät am Tag, also habe ich Oliver auf der Arbeit angerufen und ihn gebeten, nicht zu spät nach Hause zu kommen. Was macht man mit Zeit und 20 Euro? Was andere machen, weiß ich nicht - ich rufe beim Friseur an und fragt, ob ich zum Haareschneiden und Wimpernfärben vorbeikommen kann, wie ich es seit Wochen in den Zeitplan schieben wollte. Wie erwartet klang die telefonische Auskunft der Salonlöwin so, als hätte ich gefragt, ob frische Nuklearbomben auf Lager sind, und das in meiner absolut ausgefallenen und schwer erhältlichen Wunschfarbe. Ich bin trotz dieser trüben Aussichten und der fast negativ klingenden Auskunft hingefahren und fand natürlich einen fast leeren Salon vor, in dem eine vermutlich komatöse Dame unter einer vorsintflutlichen Trockenhaube döste. Seit wann, ist mir nicht bekannt. Es dauerte dann noch ein halbes oder dreiviertel Stündchen, bis ich an die Reihe kam, in 12 Minuten war ich fertig – 10 fürs Färben und 2 fürs das Glätten der Spitzen und wieder auf dem Weg zur Straßenbahn. Unterwegs rief ich die Nachbarn an und bat den Mann, mir die Tür zu öffnen – das passte von der Zeit ganz gut, bis ich nach Hause kam, war er aufgestanden und mit dem Rollator an der Tür, hielt den Schlüssel schon bereit und ich konnte mich auf die nächstbeste Tastatur schmeißen, um mich ein bisschen darüber abzureagieren, dass ich in solchen Klamotten mit nassen wirren Haaren unter Menschen war, wenn auch nur die 12 m von der Straßenbahn zum Friseursalon und zurück und unter Pendlern in der Bahn.

Es sollte mir scheißegal sein, und wenn ich mich abgeregt habe, ist es das auch wieder. In alten Schuhen in die Stadt, OK. In einer uralten und viel zu großen Bluse, meinetwegen. In einer Jeans, die noch an viereinhalb Fäden und einem Nieser hängt – manche Leute finden so was chic. Ungeschminkt: Wenn’s sein muss, nasse Haare – meinetwegen. Aber alles zusammen hätte jetzt nicht unbedingt sein müssen. Es sei denn, siehe Einstieg, man möchte sich das Leben unnötig erschweren.

Gut, das wäre geklärt. Und ich gehe jetzt mal die Zeit aufholen, die ich vorhin verloren habe. 

9 Kommentare Man kann sich das Leben auch unnötig schwer machen.

  1. Avatar Angel 08.06.2005 um 19:05 Uhr

    *lol*

    Ist immer wieder schön zu lesen, dass auch andere Leute in alle vorhandenen Fallen stolpern. Naja, in die eine oder andere zumindest. Ich lasse selten welche aus 😉

  2. Avatar The Exit 08.06.2005 um 22:15 Uhr

    Ich finde es bemerkenswert, dass in deiner Handyhülle immerhin 20 EUR waren.

    Ich sperre mich mit schöner Regelmäßigkeit aus, habe schon 2 Ersatzschlüssel deponiert und zur Not gibt es ja den Hausmeister. Aber dessen Nummer habe ich nur im Handy!

  3. Avatar limone 08.06.2005 um 23:26 Uhr

    seit ich mich 1x ausgesperrt habe, weil ich nur schnell zum nachbarn runter wollte, sperre ich mich regelmäßig ein, damit ich an den schlüssel denke (muss ich dann ja, weil ich ihn zum aufsperren brauche). war damals ein lustiges bild, als sämtliche nachbarn traubenförmig vor der tür hingen und “einzubrechen” versuchten. wir haben es dann wirklich geschafft, allein hätte es nicht geklappt, da hätte ich dann den sauteuren schlüsseldienst rufen müssen. seitdem habe ich auch einen zweitschlüssel deponiert… (was mir im ernstfall aber auch nur während normaler bürozeiten was nützen würde…)

  4. Avatar SnapHappy 08.06.2005 um 23:44 Uhr

    also,auch wenn es jetzt für dich nicht so toll war, aber mir hat es ein lachen aufs gesicht gezaubert und nun gehe ich zufrieden schlafen. hüstel .. mit dem powerbook um noch eine dvd zu gucken, während der hausgeist entgegen seiner üblichen gewohnheiten heute mal dem fussball fröhnt - was mich erinnert ich muss jetzt unbedingt ein WLAN einrichten, dann hätte ich das schon aus dem bett heraus tippen können ... immerhin sehr bescheiden im gegensatz zu den visionen “anderer” leute die gleich den halben strassenzug mit freiluft terminals abdecken wollen ... ich stell mir das bildlich vor 😉 in diesem sinne gute nacht!

  5. Avatar Melody 08.06.2005 um 23:57 Uhr

    Angel: Tja - ich bin entweder sehr gut organisiert oder stolpere quer durch die Kulissen, ein Mittelding scheint mir nicht gegeben.

    Matthias: Für ein Taxi im Notfall. Oder heute eben für den Friseur, der glücklicherweise sehr preiswert ist. 7,50 Euro waren das.

    liv: stimmt, schlüsseldienst ist sehr teuer. wahrscheinlich wäre ich, wenn das vormittags passiert wäre, mit der straßenbahn zu olivers arbeitsplatz gefahren (sind ja nur anderthalb Stunden, ächz) und mit dem Schlüssel wieder zurück.

    Juneau: Immerhin gab es das Goldene Blatt zu lesen. Genau genommen gab es NUR das GB zu lesen, aber da muss man dann wohl durch 😊

  6. Avatar VolkerK 09.06.2005 um 08:43 Uhr

    Es hätte schlimmer kommen können:

    - keine Schuhe

    - Regen

    - ein Topf auf dem Herd (dann hätte Dich allerdings die Feuerwehr später reingelassen)

    - ein dringender Kundentermin

    Ich hätte mich vermutlich im Garten auf die Wiese geschmissen und etwas gedös oder per Handy die Telefonate geführt, die ich schon länger aufgeschoben hab (sofern die benötigten Telefonnummern im Handy verfügbar sind, sind sie aber meistens).

  7. Avatar SnapHappy 09.06.2005 um 14:51 Uhr

    ... was mir gestern gar nicht aufgegangen ist - wahrscheinlich war ich schon halb im traumland ... friseur für unter 20 euro? sowas gibts noch?

    ich will hier weg!

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