Wir kennen jetzt jeden Fisch im Aquazoo beim Namen. Beim Vornamen. Jede Qualle, jede Schildkröte, jeden Affen, jedes meerschweinchenähnliche Tier und die Krokodile auch. Hagen hat sich mit sehr großer Ernsthaftigkeit durch den kompletten Zoo gearbeitet, offensichtlich nicht zum ersten oder achten Mal. Denn während er noch nicht lesen kann und daher darauf bestand, dass man ihm die Schilder an den Aquarien vorlas, bemerkte er doch jede Abweichung sofort. Vorlesen reichte natürlich nicht, weiter konnte man erst gehen, wenn jedes Tier aufgefunden wurde, das auf der Beschriftung stand. Uffz.
Wir hatten großes Glück, der Tintenfisch war in Poserlaune und glubschte lange und eindrucksvoll an seiner Scheibe entlang. Jedes Detail seiner Tentakel war zu bewundern. Ich kann die Dinger jetzt wohl nicht mehr essen.
Lea wiederum hatte schon bei der Terminvereinbarung darauf bestanden, dass wir die ersten im Zoo sein mussten. So war dann auch für jedes einzelne Schild genug Zeit, denn das Gedränge fing erst irgendwann nach uns an. Irgendwann nach gefühlten fünf Stunden stellte ich verzweifelt fest, dass gerade mal sechzig Minuten vergangen waren. Sämtliche possierlichen, pelzigen und puscheligen Tierchen wurden kurz und schmerzlos abgenickt. Alles mit Tentakeln, glibberigen Flossen und merkwürdigen Essgewohnheiten kam gut an und wurde ausgiebig diskutiert. Da die Familie offensichtlich schon sehr oft im Aquazoo war, hatte auch Lea ihre eigene Routine entwickelt, den Zoo durchzuarbeiten und irgendwann überliess ich Oliver die Beckenvorleserei und ließ mich einfach nur noch durch die Fische treiben.
Hagen sprach viel von seiner Kommandobrücke, die es zu erreichen galt. Gemeint war der Holzweg über den Krokodilaufbewahrungstümpel. Die Krokodile hatten nicht viel Lust, besichtigt zu werden, aber das war irgendwie auch egal. Denn Hagen, der sicher vorher schon zweitausendmal ermahnt wurde, nicht das Geländer hochzukrabbeln, hatte herausgefunden, dass man sich alternativ auch auf die Bohlen werfen konnte, um durch die Ritzen zu schauen. Andere Besucher mussten dann eben ein bisschen ausweichen. Hatte ich schon erwähnt, dass diese Familie oft in den Aquazoo geht?
Menschen, die den Zoo zwei Stunden nach uns betreten hatten, zogen lässig an uns vorbei in Richtung Ausweg, während wir darüber diskutierten, ob die Backenhörnchen nun einen flachen Popo hatten oder nicht. Inzwischen war ich mir auch sicher, dass ich mir die mitleidigen Blicke der Aquazoo-Angestellten bei unserer Ankunft nicht eingebildet hatte, als wir sozusagen die Kasse eröffneten und Hagen sich sofort einen Gummihai kaufte, Lea irgendein madegassisches Tier und beide einen Fisch- bzw. Pinguinstempel, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. Dabei war vorher die Rede von Seepferdchen gewesen, nur wusste Hagen da noch nicht, dass ein Hai zum Verkauf stand. Er hat zwar schon sehr viele Haie, aber das macht ja nichts.
Nachdem wir den Zoo gewissenhaft durchgearbeitet hatten, gab es erst mal ein Eis. Selten war ich so froh über frische Luft und Stracciatella.
*
Wir waren dann noch mit der U- und S-Bahn unterwegs, haben uns zu den goldenen Bögen praktisch abgepackten schnellen Essens durchgeschlagen und sehr lange gebraucht, um einen Mops und eine Bulldogge für die Juniortüten zu bekommen. Hagen begann seinen Marsch zum Klo damit, erst die Hose herunterzuziehen und dann loszulaufen, ich denke, die Reihenfolge sollte man noch mal üben. Ansonsten haben wir uns wacker geschlagen, die Kinder wirkten recht zufrieden und die Eltern heiter erholt. Sie wussten ja, was ihnen entgangen ist.
Die nächsten Termine mach wieder ich.
köstlich, einfach nur köstlich 😊
Mit “fremden” (sprich: nicht eigenen) Kindern im Zoo zu sein muß wohl eine der Strafen der Zivilisation sein. Das ist nicht die erste Geschichte dieser Art, jüngst hörte ich noch folgende von einer Kollegin:
Sie, ihr Ehemann und zwei ihnen anvertraute Kinder gingen in den Zoo. Aus irgendeinem Grund wurden die vier kurz voneinander getrennt, die Kollegin war alleine und plötzlich standen zwei komplett wildfremde Mädchen direkt bei ihr, aßen irgendetwas und eine begann dann wie wild herumzuko… das Essen auf nicht normale Weise gen Boden zu schicken.
In diesem Moment muß natürlich erst noch ein Vorgesetzter der Kollegin vorbeikommen und sie ganz verwundert anschauen, dann noch jemand vom Zoo sie mißbilligend anschauen und schlußendlich die wahre Mutter rennend ankommen, die die Kollegin, die einfach nur an der falschen Stelle stand, mit ihrem Blick quasi tötet - als ob sie schuld wäre, das das Kind plötzlich sehr deutlich zeigt, was es vom Frühstück hält. 😉
*lol*
Sehr schön 😊
Gutes Erholen!
Das nennt man dann wohl im Volksmund „Bildungsurlaub“, liebe Melody? 😉
jaja, manchmal frage ich mich auch, wie ich auf die Idee kam, drei Kinder zu kriegen. 😉 Da muss ich wohl irgendwie etwas ... abgelenkt gewesen sein ...
Nachdem ich - bevor ich eigene Kinder hatte - mit einem Zweijährigen den Berliner Zoo besucht hatte, freiwillig (verflucht, weshalb nur? Ich kann mich nicht mehr erinnern.), und stundenlang mit dem Kind im Buggy vor den Kamelgehege stand, und dann das Kind auf den Spielplatz wollte und ich hin und hergeserissen zwischen Aufsicht über den (fremden) Buggy und Aufsicht über das (ja auch irgendwie fremde) Kind, das sich anschickte irgendwo hinaufzuklettern um sich den Hals zu brechen, habe ich mir geschworen, wenn ich mal eigene Kinder habe, bestimme ich, wo wir wie lange sind. Und unsere Kinder waren immer die einizgen, die auf “Kommt, wir gehen weiter / nach Hause!” alles fallen ließen, okay sagten und kamen. Bis auf Nr. vier vielleicht, die hat schon als baby immer das Gegenteil von dem getan, was ich sagte, aber da konnte man sie ja noch unter den arm klemmen, hihi.
Auf jeden Fall las sich die Story köstlich! Auch die an der Straße übrigens 😉
Melody, du schaffst es immer, die Dinge so poetisch auszudrücken!
So ähnlich läuft es bei uns zur Zeit auch ab.
Zum Glück werden die Hosen vor dem Toilettengang nur zu Hause vorher runtergelassen - weil es schnell gehen soll - und dann umständlich über den Flur zum besagten Örtchen gehüpft…