Es kann sich nur noch um Stunden handeln, bis irgendwer aus der Nachbarschaft den Tierschutz ruft, um das arme misshandelte Tier zu retten, das in unserem Bad in den höchsten Tönen erbärmlich schreit, und zwar seit Tagen. Ach was Tagen, seit Wochen. Ein ohrenbetäubendes, völlig verzweifelt klingendes Wehklagen, das sich mindestens so anhört, als hätten wir ein hilfloses kleines Wesen in Streifen an den Wäschetrockner getackert und würden nun zusehen, wie es langsam bei lebendigem Leib ausblutet.
Eilt man der verzweifelten Kreatur allerdings zur Hilfe, findet man einen fetten kleinen blonden Perserkater mit Kurzhaarfrisur vor, der sofort erfreut auf und ab hüpft und sein Mäulchen unter den Wasserhahn der Badewanne hängt, weil endlich jemand gekommen ist, um ihn am fließenden Wasser trinken zu lassen. Er hat immer schon gerne vom Hahn getrunken, im Waschbecken, in der Spüle und hopste morgens stets vorfreudig in die Badewanne, um sich dort beschmusen zu lassen. Aber jetzt übertreibt er und zwar gründlich und das schon länger.
Wassermangel leidet das Tier übrigens nicht, falls sich das jemand fragen sollte. In der Badewanne steht ein Kübel Frischwasser in der vergeudeten Hoffnung, damit ab und zu das Geschrei zu mindern, einer der Hähne ist jetzt schon absichtlich und ebenso vergeblich auf leichtes eigenständiges Tropfen eingestellt und die Wasserschüssel in der Küche könnte frischer und voller nicht sein. Darum geht es aber nicht. Er hat den authentischen Mini-Löwen in sich entdeckt und wilde Tiere trinken nun mal nur an fließenden Gewässern.
Das vorvorletzte Hobby: Salatschüssel-Sit-in 24/7
Wir haben ihn auch schon vorsorglich und besorgt zum Tierarzt gebracht, viele Monate vor dem nächsten TÜV - und erhielten dann die Information, dass es doch schön sei, wenn ein so altes Tier noch so gut trinkt. Finden wir ja auch, aber das Geschrei … Jetzt wird vorbeugend exklusives Katzenfutter fürs Nieren-Tuning gegessen, obwohl es da gar kein Problem zu geben scheint, der Kater hat eine Spritze gegen seine leichte Zahnfleischentzündung bekommen und blühte förmlich auf. Was sich in noch kräftigeren Badezimmergesängen rund um die Uhr äußert.
Irgendwann in der dritten oder fünften zugequäkten Woche haben wir den taktischen Fehler gemacht, ihn mit Schmusen und Toben vom Trinken abzulenken. Jetzt kann man sich nicht mehr sicher sein: Will er vom Hahn trinken, oder will er in der Badewanne schmusen, oder will er in der Badewanne hahntrinkend geschmust werden? Nur eins steht fest: Er schreit, und schreit, und schreit. Seit fast 10 Jahren hatte dieser kleine Waschbär kein so nervtötendes Hobby mehr und ein Ende ist nicht in Sicht. Sogar Oliver ist genervt, das will was heißen. Meauouw, Meauouw, Meauouuuuuuuuuuuuuuuw! Kläglich, durchdringend und unglaublich laut. Ich führe schon vorsichtshalber am offenen Fenster deutlich artikulierte Kater-Selbstgespräche (“Nein, kleiner Kater, du hast gerade frisches Fleisch bekommen und frisches Wasser auch, mehr gibt es nicht, Nein, Nein!”), damit die eventuell mithörenden Nachbarn kein allzu einseitiges Hörbild der Situation erhalten. Vergeblich auch das, nehme ich an.
Vor zwei Wochen habe ich die Nerven verloren und ihm mit der Duschbrause den Hintern kalt durchgepustet. Er war hoch erfreut und fand es klasse. Nein, ich denke mir das nicht aus. Seitdem steht er ab und zu auch in der Wanne und schaut gespannt nach oben, denn da könnte ja theoretisch auch Wasser herkommen. Ich muss zugeben, dass ich ihn sogar einmal richtig frontal eingetunkt habe, aber das hat dann auch nur dazu geführt, dass er sich jetzt das ganze Gesichtchen unter den Wasserstrahl hält und die ‘Wangen’ daran reibt, weil er keine Sorge mehr darum hat, rund um die Schnauze nass zu werden. Der Mann hatte anfangs mich im Verdacht, das früher immer mal etwas zugeklebte Katergesicht zu waschen und ich ihn, aber der macht das schon selbst, der Waschkater.
Einmal habe ich die ganze Wanne voll mit kaltem Wasser laufen lassen, gute 20 cm hoch, um sie zu einem unattraktiveren Aufenthaltsort für flauschige Kater zu machen. Daraufhin hat das blöde Vieh versucht, auf dem schmalen Rand entlang bis zum Hahn zu gelangen und ist abgerutscht und hat sich am Hahn fast einen Zahn rausgehauen. Meine Strafe für diesen Versuch, die Frischwasserzufuhr zu vergällen: Er hatte plötzlich ein dramatisch rotes Kinn, an der Wanne unter/neben dem Hahn hing ein verräterischer Tropfen Blut, das kleine Vieh war nass bis über den Bauch und ich war dann den ganzen Tag mit Krankenschwesterei beschäftigt, bis ganz klar war, dass er wirklich keine inneren Verletzungen, keine schlimme Krankheit, kein Magenbluten und keine tiefe Wunde hatte, sondern sich wirklich nur das Kinn aufgeklopft hatte.
In der Tierklinik wird man wahrscheinlich bald mich behandeln und nicht die Viecher, wenn das so weitergeht. Während ich diesen Eintrag schreibe, dringt aus dem Badezimmer eine durchlaufende Beschwerde über die Ungerechtigkeiten dieser Welt, die wohl größtenteils daraus bestehen, dass niemand bereit ist, 23 Stunden vom Tag neben der Badewanne zu verbringen und immer abwechselnd zu schmusen und den Hahn auf- und zuzudrehen.
Wird es jemals enden? Wird er irgendwann aufhören? Und was kommt dann?
Sehr schön auch der Montagmorgen, an dem er einfach zu Oliver unter die Dusche stieg.
Redest du hierr wirklich von einer KATZE? Jenem Tier, dem stets eine außerordentliche Wasserscheu bescheinigt wird?
Herrlich! 😉 (Nicht für dich, schon klar, war aber sehr nett zu lesen!)
Wie wärs mit einem Zimmerspringbrunnen zur Abhilfe?
Aber so wie sich das anhört und wenn ich mir das Foto ansehe, dann hilft wohl doch nur noch der Katzenpsychodoktror *g*
Na, so was! Es bleibt nur noch einen Zimmerteich aufzustellen mit Goldfischen drin. Vielleicht gibt dann der Kater endlich Ruhe. meine zwei Hunde sind auch wasserverrückt. Ich muss sie zweimal am Tag zum schwimmen führen:-))
Da kann ich nur Catit empfehlen.
Ich hielt das ursprünglich für Tierliebhaber-kaufen-alles-Vermarktungsquatsch, aber unsere Kleinen lieben es, ich würd’s nie mehr hergeben.
Jedenfalls habe ich bei deiner Beschreibung geschmunzelt bis die Wangen schmerzten und bewundere deine Geduld sehr 😉
Serontonic: Wir hatten einen solchen Wasserspeicher. Er setzt sich dann davor und schaufelt ihn mit der Pfote leer - es kommt ja immer was nach, das ist ganz toll ...
😊 Aus ähnlichen Gründen kommen auch Zimmerspringbrunnen nicht in Frage, er würde versuchen, das Wasser komplett auf einen Schlag rauszuholen. Auch das tolle Tupperware-Trinkset für Katzen führte zum selben Ergebnis.
P.S. nein, so ein Kuppeldings hatten wir noch nicht. Die Kuppel bleibt drauf? Dann wär das vielleicht wirklich was, wenn er es nicht mit der Pfote leerschaufeln kann ... danke für den Tipp!
Ich hab mal irgendwo eine automatische Hundetränke gesehen, die man im Garten an den Außenwasserhahn anschrauben kann. Das Wasser muss an bleiben und Hund kann mit der Nase den Strahl auslösen.
Soll ich mal einen Link suchen…?
Melody: Ja, die Kuppel bleibt drauf, das darin enthaltene Wasser läuft langsam nach, wenn der Bottich vorne leerer wird. So könnte er theoretisch schon vorne alles rausschaufeln, allerdings bräuchte er vielleicht was länger.
Da hast du aber wirklich einen eigenwilligen Querkopf 😉
Oliver möchte sich den Catit-Dome erst irgendwo im Handel anschauen - er glaubt, dass unser Quadratschädelchen jede Möglichkeit nutzen wird, die vorhandene Wassermenge rauszuholen. Ich hätte ja bei Ebay sonst gestern zugeschlagen *g*
Nandi ist schon 14 und wir lieben ihn sehr. Wenn es mir schlecht geht, legt er mir eine Pfote auf die Wange wie in einem Disney-Film, obwohl er sonst nicht so ganz der große Schmuser ist (außer in der Badewanne).
Nicht zu fassen!
mal davon abgesehen, dass Du mir meinen Tag gerettet hast, gehört diese Miez zum Psycho-Doc 😉
Da kann man wohl als Dosenöffner von zwei “normalen” Katzen nichts raten. Komme ich meinen mit dem Gartenschlauch zu Nahe, sehe ich sie die nächsten 2 Tage nicht mehr… 😉
Aber man muss ihm mildernde Umstände einräumen: er ist ja schon ein alter Mann und, wer weiß, vielleicht ein wenig senil?
Das Tier ist nicht gestört, sondern hartnäckig.
Auch Hartnäckigkeit kann eine Form von psychischer Erkrankung sein… 😉
Aber mal im Ernst: Du hast bestimmt schon alles ausprobiert, inklusive vollständigem ignorieren des Minilöwen, oder? Wenn “wassertunken” schon nicht hilft, vielleicht aber Badezimmerverbot? Oder geht das bei Euch nicht?
Klar geht das, dann schreit er eben VOR der Tür. Ich hab ihn auch schon eingesperrt im Bad, mit Futter und Katzenklo, damit das Schreien nicht so laut ist, aber das findet er nicht schlimm, er wartet dann einfach ab.
Er möchte fließendes Wasser trinken, und so lange ihn das so interessiert, haben wir vier- bis fünfmal am Tag so ein Theater am Hals. Also nachts auch, wer als letzter ins Bett geht, muss den Kater vorher tränken *g*
hallo,
ich kenne das Geschrei, hatte 19 Jahre einen Perserkater, Puschkin, der auch am Wasserpanschen seine wahre Freude hatte. Mitten in der Nacht, wenn ihm langweilig war, hielt Puchkin ein ohrenbetäubendes Wunschkonzert im Treppenhaus unseres Einfamilienhauses ab - wegen der besseren Akkustik -, so daß er für jedes Familienmitglied gut hörbar war und sich schließlich der mit den schlechtesten Nerven zum Schmusen, Spielen und Kater wieder in unser Bett packen, fand.Abgewöhnen ging nicht, vielmehr gewöhnten wir uns dran. 99 erbte ich dann Kurzhaarkatze, meiner Oma dazu, die eigentlich keine laute Stimme hat und vorher nie durch Geschrei auffiel. Seit Puschkin 03 starb, führt die an sich leise Katze vorgenannte Tradition weiter!
Yvonne: Ohje.
Einerseits ja schön, wenn so ein heißgeliebtes kleines Vieh 19 Jahre bleibt (mein Hund ist 17 geworden), aber ich hoffe ehrlich, er sucht sich mal wieder ein anderes Hobby, die vorherigen waren leichter auszuhalten (auch wenn das Sofa das sicher fetzenweise anders sieht).
Himmel. 😉
Meine Kinder wollen ja eine Katze.
Ich glaube, ich verzichte ... 😉
Susi: Perserkater sind neurotisch, aber Main Coone und Norwegische Waldkatzen sind ebenso flauschig und höchst selten merkwürdig. Sehr kindertauglich und unglaublich lieb 😊
Der Maine Coon meiner Schwester teilt das Hobby Deinem Kater. Er geht auch auf dem Balkon am liebsten in Untersetzern baden. Je nasser, desto besser! Am besten ist Wasser aus dem Hahn, aber in normalen Haushalten finden sich auch sonst eine Menge Wasserquellen.
@ Susi
Norwegische Waldkatzen sollen auch den Vorteil haben, dass kaum jemand allegrisch dagegen ist!
*grins* ... herrliche Geschichte und Nandi ist ja eh mein “Held” ;o) ... ich frag mich jetzt allerdings, ob diese Vorliebe für Wasser evtl. an der Farbe des Katers liegt? Casimir hat nämlich eine ganz ähnliche Wasser-Vorliebe wie die, die Du hier von Nandi schilderst. Wir haben inzwischen immer eine große Schüssel mit Wasser im Flur stehen und da “plantscht” er zu gern drin rum. Viel Geschrei könnte er nicht machen, weil er erstaunlicherweise trotz seiner Größe ein ziemliches Piepsstimmchen hat. *g* Leider hat er aber nun Jaromir und Filippo gezeigt, wie toll Wasserplantschen ist und Jaromir der zuweilen ob seiner Größe ein wenig, nun sagen wir, tolpatschig ist, bringt es öfter fertig, sich mit vollem Gewicht auf den Rand der Schüssel zu stützen, die dann natürlich kippt und dann heißt es für uns mal wieder den Flur wischen (in die Schüssel passen ca. 3 Liter). Die Schüssel einfach wieder weglassen geht auch nicht, denn Jaromir verfügt nicht nur über Größe sondern auch über Hartnäckigkeit und was noch viel schlimmer ist über Stimme. ;o) Warum ich das alles erzähle? Ich hab gehört, wenn man merkt, man ist nicht allein mit einem Problem, dann ist es leichter zu tragen. ;o) Vielleicht sollten wir eine Selbsthilfegruppe eröffnen. 😊
Herzliche Grüße von mir an Dich und Oliver und von den Jungs an Deine beiden Plüschlöwen!
Liisa: Nein, es ist ein Nierenproblem. Eines, das auch bei mehrfacher Untersuchung wohl nicht erkannt wurde, weiß der Geier warum. Nun hoffe ich, dass Nandi durchkommt, momentan sieht es wohl eher schlecht aus.